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John Donne
1572 London - 1631 London
(vgl. Shakespeare 1564-1616)

Inhalt:


 

"With Donne, whose muse on dromedary trots,
Wreathe iron pokers into true-love knots ;
Rhyme's sturdy cripple, fancy's maze and clue,
Wit's forge and fire-blast, meaning's press and screw.''

Samuel Taylor Coleridge

der bedeutendste der metaphysischen Dichter
(Frauenliebling)

Meister der Liebeslyrik
in welcher er die herkömmlichen Formen sprengt (keine Sonette, keine fetgefügten Zyklen)

Die Paradoxie der Liebe:
bald Wunder und Weltbesitz,
bald absurder, demütigender Götzendienst

Zwei Gedichte z.B.:
«A Valediction: Of Weeping»
«
Confined Love»
«
Woman’s Constancy»

  • intellektueller Geist, auf dem neuesten Stand der Wissenschaft, verbunden mit heftiger Liebesbeschwörung und obszönen Anspielungen

  • Hang zur Selbstanalyse

  • umgangssprachliche Ausdrucksweise, scheinbar unpoetisch, in ihrer Bedeutung und ihrem Begriffsinhalt aber immer einzigartig präzise und wirklichkeitsnah

  • Kontrast zu den glatten, kultivierten Versen seiner Zeit (Philip Sidney, Edmund Spenser)

  • sinnliche Liebesgedichte, oft zynisch - Reaktion auf das rührselige elisabethanische Sonett

seine Lyrik:

  • Schauplatz zwischen privaten Leidenschaften und öffentlicher Karriere

  • komplexe Bildlichkeit und dissonanzenreicher, asymmetrischer Stil

  • Konzetti (conceits): geistreich zugespitztes Gedankenspiel, das mit ungewöhnlichen Metaphern eine beeindruckende Synthese aus Dingen oder Vorstellungen schafft, die scheinbar nicht miteinander im Zusammenhang stehen

  • Sohn eines Eisenhändlers,
    Enkel des Dramatikers John Heywood (Freund von Thomas More - Satirische Interludien, Vorläufer der englischen elisabethanischen Komödie)
  • 1583-1586 Studium an der Universität Oxford, ohne Abschluss
  • 1587-1590 Universität Cambridge, ohne Abschluss
  • .1592  Lincoln’s Inn in London Jura-Studium
  • 1596 auf der Azorenexpedition,
    geführt von Robert Devereux, 2nd Earl of Essex
  • 1598 Privatsekretär des Lordsiegelverwahrers Sir Thomas Egerton
  • 1601 heimliche Ehe mit Egertons Nichte:
    führte zu seiner Entlassung aus dieser Stellung
    und zu einem kurzen Gefängnisaufenthalt
  • Zuflucht in Pyrford (Surrey)
  • dort sein längstes religiöses Gedicht, das auf ironische Weise die Seelenwanderung von Evas Apfel schildert:
    The Progresse of the Soule 
  • kärgliches Leben als Anwalt
    Berater von Thomas Morton, einem Verfasser von Pamphleten
    gegen den Katholizismus
  • 1607 Divine Poems
  • Biathanatos (Selbstmord ist an sich keine Sünde)
    (1644 posthum veröffentlicht)
  • eines der wichtigsten literarischen Leistungen Donnes:
    der erste Gedichtband Satires
    geschrieben während seiner Zeit in London
  • gleichzeitig: Liebesgedichte Songs and Sonnets
  • 1610 Pseudo-Martyr, Prosa, - gegen die Märtyrergesinnung vieler Katholiken, These, dass englische Katholiken
    dem König von England, James I., einen Treueeid schwören könnten,
    ohne gegen ihre religiösen Grundsätze zu verstoßen.
    dadurch Gunst des Königs
  • 1611/12 Anniversaries (Meditationen), ein Klagelied in zwei Teilen
  • 1615 löste er sich vom katholischen Glauben,
    wurde Priester der anglikanischen Kirche,  königlicher Kaplan
  • seine Predigten sind die hervorragendsten und redegewandtesten seiner Zeit
  • 1617 Tod seiner Frau
  • 1618 (größter Teil jedoch bis 1633 unveröffentlicht) Holy Sonnets:
    Meditationen
    über Sünde, Erlösung und Tod
  • 1621 bis zu seinem Tod: Dekan der St. Paul’s Cathedral
  • 1624 beginnt Freundschaft zu dem Essayisten und Dichter Izaak Walton
  • schwere Krankheit
  • 1623/24 Devotions upon Emergent Occasions, Prosa
    über Tod und menschliche Beziehungen
  • In seinen letzten Jahren  bemerkenswerte Predigten (sechs Sammlungen)
    1631, 2 Monate vor seinem Tod: Begräbnispredigt Death’s Duel

Einflüsse auf 

  • die Cavalier poets (Royalisten, Anhänger König Karls I. während des Englischen Bürgerkrieges, wie Thomas Carew, Sir John Suckling und Richard Lovelace)
    (Cavalier lyrics, die Dichtung dieser Schriftsteller und einiger ihrer Zeitgenossen wie z. B. John Cleveland
    Charakteristisch:
     Kürze, vollendete Form und beherrschte Emotion; 
    Themen wie Loyalität, Schönheit und Liebe
    )
  • die Metaphysical Poets, Gruppe englischer Barockdichter Anfang des 17. Jahrhunderts mit einer
    Vorliebe für Paradoxie und ironisch-satirische Darstellung,
    wie Richard Crashaw, George Herbert und Henry Vaughan
  • im 20. Jh.: Aldous Huxley, Ezra Pound, T. S. Eliot, Virginia Woolf
    - psychologischer Realismus:
    komplexe Einheit von Denken und Fühlen in einem widersprüchlichen Lebensgefühl

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«...One great distinction, I appeared to myself to see plainly, between, even the characteristic faults of our elder poets, and the false beauty of the moderns. In the former, from DONNE to COWLEY, we find the most fantastic out-of-the-way thoughts, but in the most pure and genuine mother English; in the latter, the most obvious thoughts, in language the most fantastic and arbitrary. Our faulty elder poets sacrificed the passion and passionate flow of poetry, to the subtleties of intellect, and to the starts of wit; the moderns to the glare and glitter of a perpetual, yet broken and heterogeneous imagery, or rather to an amphibious something, made up, half of image, and half of abstract meaning. The one sacrificed the heart to the head, the other both heart and head to point and drapery.»

Samuel Taylor Coleridge

 

A Valediction: Of Weeping

Let me pour forth
My tears before thy face, whilst I stay here,
For thy face coins them, and thy stamp they bear,
And by this mintage they are something worth:
For thus they be
Pregnant of thee;
Fruits of much grief they are, emblems of more,
When a tear falls, that thou faUst which it bore,
So thou and I are nothing then, when on a diverse shore.

On a round ball
A workman that hath copies by can lay
An Europe, Afric, and an Asia,
And quickly make that, which was nothing, all:
So doth each tear,
Which thee doth wear,
A globe, yea world by that impression grow,
Till thy tears mixed with mine do overflow
This world, by waters sent from thee, my heaven dissolvèd so.

O more than moon,
Draw not up seas to drown me in thy sphere,
Weep me not dead in thine arms, but forbear
To teach the sea, what it huy do too soon;
Let not the wind
Example find,
To do me more harm than it purposeth;
Since thou and I sigh one another’s breath,
Whoe’er sighs most, is cruellest, and hastes the other’s death.

Ein Abschied: Vom Weinen

Dir zugekehrt
Lass mich vergehn in Tränen. Dein Gesicht
Schlägt sie zu Münzen, siegelt ihr Gewicht —
Aus solcher Prägung erst erwächst ihr Wert.
Sie sind daher
Trächtig mit dir,
Kinder von Leid, und Künder neuer Leiden:
Dass du in Tränen fällst und ganz entgleitest —
So werden du und ich zu nichts, wenn uns die Wasser scheiden.

Auf einen Ball
Kopiert aus Landkarten ein Zeichner rasch
Europa, Asien, Afrika, und macht
Im Handumdrehn aus einem Nichts ein All.
Die Träne schwillt
So durch dein Bild
Dein Druck wölbt sie zur Erdkugel, zur Welt,
Bis diese Welt dein Tränenstrom fortspült,
Als Sintflut, die aus dir, mein aufgelöster Himmel, fällt.

Du, mehr als Mond,
Zieh nicht die See an, dass sie mich versenkt,
Wein mich nicht tot in deinem Arm, bedenk,
Was mir vom Meer nach deinem Beispiel droht;
Dass nicht der Wind
Sich Vorwand nimmt,
Mehr Unheil als gedacht mir noch zu senden!
Da eins des andern Atem wir entlehnten,
Beschleunigt, wer am meisten seufzt, grausam des andern Ende.

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Confined Love

Some man unworthy to be possessor
Of old or new love, himself being false or weak,
Thought his pain and shame would be lesser,
If on womankind he might his anger wreak;
And thence a law did grow,
One should but one man know;
But are other creatures so?

Are sun, moon, or stars by law forbidden
To smile where they list, or lend away their light?
Are birds divorce4 or are they chidden
If they leave their mate, or lie abroad a-night?
Beasts do no jointures lose,
Though they new lovers choose,
But we are made worse. than those~

Who e’er rigged fair ship to lie in harbours,
And not to seek new lands, or not to deal withal?
Or built fair houses, set trees, and arbours,
Only to lock up, or else to let them fall?
Good is not good, unless
A thousand it possess,
But doth waste with greediness.

Eingesperrte Liebe

Ein Mann, unwert, bei einem Weib zu liegen,
Den keine wollte, falsch, lasch oder siech,
Meinte, wenn er den Fraun den Spaß austriebe,
Träf ihn die eigne Schmach nur halb so tief.
Und daher kam der Brauch:
Man(n) liebt nur eine Frau -
Tut das der Rest der Schöpfung auch?

Wird Sonne, Mond und Sternen untersagt,
Zu lächeln und zu leuchten, wem sie wollen?
Verbringt ein Vöglein fern vom Nest die Nacht,
Wird es dann gleich geschieden und gescho1ten?
Sein Gut verliert kein Tier,
Liebt es mal kreuz und quer -
Doch die sind besser dran als wir.

Wer baut ein schmuckes Schiff, und, lässts im Hafen,
Statt dass es Schätze sucht in aller Welt?
Kauft ein Lusthaus, pflanzt Bäume, sät den Rasen,
Und macht es dicht, lässt zu, dass es verfällt?
Gut ist nur gut zu nennen,
Geht es durch tausend Hände -
Doch es zu horten heißt: verschwenden.

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Woman’s Constancy

Now thou hast loved me one whole day,
Tomorrow when thou leav’st, what wilt thou say?
Wilt thou then antedate some new made vow?
Or say that now
We are not just those persons, which we were?
Or, that oaths made in reverential fear
Of Love, and his wrath, any may forswear?
Or, as true deaths true marriages untie,
So lovers’ contracts, images of those,
Bind but till sleep, death’s image, them unloose?
Or, your own end to justify,
For having purposed change, and falsehood, you
Can have no way but falsehood to be true?
Vain lunatic, against these ‘scapes I could
Dispute, and conquer, if I would,
Which I abstain to do,
For, by tomorrow, I may think so too.

Beständigkeit der Frauen

Schon einen vollen Tag liebst du mich jetzt —
Was wirst du sagen, wenn du morgen gehst?
Misst du dann neue Zeit nach neuem Eid,
Und sagst, dass heut
Wir andere Leute sind als tags zuvor?
Dass ein Eid, den man abergläubisch schwor
Aus Liebesfurcht, die Gültigkeit verlor?
Dass so, wie echter Tod die Ehen scheidet,
Der Liebesbund, ihr Ebenbild, nur fest
Bindet, bis Schlaf, des Todes Bild, ihn löst? Nennst du als Grund, der dich geleitet,
Dass du, die eigne Falschheit kennt und plant, Dir selbst nur in der Falschheit treu sein kannst?
O Aberwitz! Die Ausflüchte zerpflück
Ich, wenn ich will, dir Stück für Stück.
Doch wozu soviel Müh?
Wie du denk ich vielleicht schon morgen früh.

audio Übersetzungen: Werner von Koppenfels
aus dem lesenswerten, zweisprachigen Büchlein
John Donne: Alchimie der Liebe: Gedichte
©Diogenes, Zürich 1996

 

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