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Inhalt Paul Gerhardt
Gräfenhainichen 12.03.1607 - 07.06.1676
  • Liederdichter und Pfarrer
  • als zweiter Sohn des  Bürgermeisters Christian Gerhardt in Gräfenhainichen (bei Wittenberg) geboren.
  • ab 1622  Domschule Grimma, auf der schon sein älterer Bruder Christian seit einiger Zeit als Schüler war. Während Paul Gerhardt viel Freude am Lernen zeigte, verließ sein Bruder heimlich die Schule und trat seinem Vater bei der Bewirtschaftung seines bäuerlichen Besitztums zur Seite und übernahm es später in eigene Hand.
  • 1628-42 an der Wittenberger Universität als Student der Theologie
  • wohnhaft im Marktviertel von Wittenberg in der Collegienstraße, jetzt Nr. 7. Dieses Haus gehörte vom Jahre 1624 ab dem Diakonus Magister August Fleischhauer, der ein Sohn des Wittenberger Stadtmusikus Zachäus Fleischhauer war.
  • Gerhardts Anwesenheit in Wittenberg fällt in die ersten Notjahre des 30-jährigen Krieges
  • 1643  in Berlin bei dem Hof- und Kammergerichtsadvokaten Andreas Barthold, der später sein Schwiegervater wurde.
  • Sein bekanntes Abendlied "Nun ruhen alle Wälder" entstand 1647.
  • 133 Lieder Paul Gerhardts, zu denen die bekanntesten "Befiehl Du Deine Wege" und "O Haupt voll Blut und Wunden" gehören, sind aus Erstdrucken der Jahre 1643 bis 1675 erhalten. Das neues evangelisches Kirchengesangbuch weist noch 33 Lieder von Paul Gerhardt auf. Sebastian Bach hat einen Teil seiner Lieder vertont.
  • als Kämpfer für die lutherische Sache ließ er sich auch durch das Edikt des damaligen Kurfürsten von Brandenburg, Friedrich Wilhelm, der später der "Große Kurfürst" genannt wurde, nicht beirren. Dieser war bestrebt, Lutheraner und Reformierte miteinander zu vereinen. Alle Religionsauseinandersetzungen waren damit verboten, und Paul Gerhardt, der sich diesem nicht fügte, wurde als Prediger seines Amtes enthoben, mußte jedoch durch den scharfen Protest seiner Gemeinde wieder eingesetzt werden.
  • ging er nach Lübben in den Spreewald, das damals zu Kursachsen gehörte, wo er am 7. Juni 1676 als "treufleißiger, wohlbekannter Archidiakonus im 70. Lebensjahr verstarb".

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Täglicher Abendgesang

NVn ruhen alle Wälder / Vieh / men-
schen / städt' und felder / es schläft die
gantze welt: Ihr aber / meine sinnen /
Auf / auf / jhr sollt beginnen / Was
eurem Schöpffer wol gefällt!

2. Wo bist / du / Sonne / blieben? Die
nacht hat dich vertrieben / Die nacht des
tages feind: Fahr hin / ein andre Son-
ne / mein Jesus / meine wonne / Gar
hell in meinem hertzen scheint.

3. Der tag ist nun vergangen / Die
güld-ne Sternen prangen Am blauen
himmelssaal: also werd ich auch
stehen / Wann mich wird heissen
gehen Mein Gott aus diesem jammerthal.

4. Der Leib eilt nun zur ruhe / Legt
ab das kleid und schuhe / Das bild der
sterblichkeit; Die zieh' ich aus: dagegen
Wird Christus mir anlegen Den rock
der ehr und herrlichkeit.

5. Das haupt / die füß und hände
Sind fro / daß nun zum ende Die arbeit
kommen sey. Hertz / freu dich / du solt
werden Vom elend dieser erden / Vnd
von der sünden arbeit frey.

6. Nun geht ihr matten glieder /
Geht hin und legt euch nider / der bet-
ten ihr begehrt: es kommen stund und
zeiten / Da man euch wird bereiten
zur ruh ein bettlein in der erd.

7. Mein Augen stehn verdrossen /
Im huy sind sie geschlossen / Wo bleibt
dann leib und seel? Nim sie zu deinen
gnaden / Sey gut für allem schaden /
Du aug und wächter Israel.

8. Breit aus die flügel beyde / O Jesu
meine Freude / Vnd nimm dein Küchlein
ein / Wil satan mich verschlingen / So
laß die Englein singen: Dis Kind sol
unverletzet seyn!

9. Auch euch / ihr mein lieben / Sol
heute nit betrüben Ein Unfall nicht ge-
far / Gott laß euch selig schlafen /
Stell euch die güldne waffen Vmbs
bett und seiner Engel schaar.

1647 oder 1648 Text: Psalm 139: 11
Komponist: Heinrich Isaak, c. 1490
Melodie: O Welt, ich muß dich lassen

Vgl. später die Anlehnung von Matthias Claudius (1779) mit seinem "Abenlied"

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Sommergesang

1
Geh aus, mein Hertz, und suche Freud
In dieser lieben Sommerzeit
...An deines Gottes Gaben;
Schau an der schönen Gärten Zier /
Und siehe, wie sie mir und dir
...Sich ausgeschmücket haben.

2
Die Bäume stehen voller Laub /
Das Erdreich decket seinen Staub /
...Mit einem grünen Kleide:
Narcissus und die Tulipan,
Die ziehen sich viel schöner als
...Als Salomonis Seyde.

3
Die Lerche schwingt sich in die Lufft /
Das Täublein fleugt aus seiner Kluft
...Und macht sich in die Wälder:
Die hochbegabte Nachtigall
Ergötzt und füllt mir ihrem Schall
...Berg / Hügel / Thal und Felder.

4
Die Glukke führt ihr Völcklein aus /
Der Storch baut und bewohnt sein Haus /
...Das Schwälblein speist die Jungen:
Der schnelle Hirsch, das leichte Reh'
Ist froh und kömmt aus seiner Höh
...ins tieffe Graß gesprungen.

5
Die Bächlein rauschen in dem Sand
Und mahlen sich und ihren Rand
...Mit schatten reichen Myrten:
Die Wiesen liegen hart dabey
Und klingen gantz vom Lust-Geschrey
...Der Schaff und ihrer Hirten.

6
Die unverdroßne Bienenschar
Fleucht hin und her / sucht hier und dar
...Ihr edle Honigspeise:
Des süßen Weinstocks starcker safft
Kriegt täglich neue stärck und krafft
...In seinem schwachen Reise.

7
Der Weizen wächset mit Gewalt
Darüber jauchtzet Jung und Alt /
...Und rühmt die große Güte
Deß / der so überflüßig labt'
Und mit so manchem Gut begabt
...Das Menschliche Gemüthe.

8
Ich selbsten kan und mag nicht ruhn:
Des grossen Gottes grosses Thun
...Erweckt mir alle Sinnen:
Ich singe mit / wenn alles singt /
Und lasse was dem höchsten klingt,
...Aus meinem Herzen rinnen.

9
Ach denck ich / bist du hier so schön /
Und läßt dus uns so lieblich gehn
...Auf dieser armen Erden:
Was wil doch wol nach dieser Welt
Dort in dem reichen Himmelszelt
...Und güldnem Schlosse werden?

10
Welch hohe Lust / welch heller Schein
Wird wohl in Christi Garten seyn?
...Wie muß es da wol klingen /
Da so viel tausend Seraphim /
Mit eingestimmtem Mund und Stim
...Ihr Alleluja singen.

11
O wär ich da! o stünd ich schon /
Ach süsser Gott / für deinem Thron
...Und trüge meine Palmen;
So wolt' ich nach der Engel Weis
Erhöhen deines Namens Preis
...Mit tausent schönen Psalmen.

12
Doch wil ich gleichwohl / weil ich noch
Hier trage dieses Leibes-Joch /
...Auch nicht gar stille schweigen;
Mein Hertze sol sich fort und fort /
An diesem und an allem Ort /
...Zu deinem Lobe neigen.

13
Hilf nur / und segne meinen Geist
Mit Segen / der vom Himmel fleußt /
...Daß ich dir stetig blühe:
Gib / daß der Sommer deiner Gnad'
In meiner Seelen früh und spat
...Viel Glaubensfrücht erziehe.

14
Mach in mir deinem Geiste Raum /
Daß ich dir werd' ein guter Baum /
...Und laß mich wol bekleiben:
Verleihe / daß zu deinem Ruhm
Ich deines Gartens schöne Blum
...Und Pflanze möge bleiben.

15
Erwehle mich zum Paradeis /
Und laß mich bis zur letzten Reis
...An Leib und Seele grünen:
So wil ich dir und deiner Ehr
Allein / und sonsten keinem mehr /
...Hier und dort Ewig dienen.

Erstdruck: Praxis Pietatis Melica / 1653

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