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Karlheinz Barwasser

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Tiere zuletzt

Corneliusstraße 42, 80469 München, Fon & Fax 089/2014427, eMail: barwasser@az-online.net
Geboren 1950, aufgewachsen im Rheinland, lebt und arbeitet als Schriftsteller in München:
Prosa, Lyrik, Roman, Essay und Kulturkritik. Hörspiele und Features für den Rundfunk. Regiearbeit.

Internet: http://come.to/barwasser

Buchveröffentlichungen: Der Schlauch, Berlin, 1980 * Kaputte Sommertage in S., Bielefeld, 1981 * Schwulenhatz - Eine Dokumentation, Bielefeld, 1981 * Doch Zufall ist hier nichts, Köln, 1982 * Seelenhunger, Münster, 1982 * Schrei deine Worte nicht in den Wind (Hrsg.), Tübingen, 1982 * Das erste halbe Jahr, Hannover, 1983 * Mauern (Hrsg.), Hannover, 1983 * Nachtwellen (zus. mit Herbert Schneidewind), Hannover, 1983 * Im Abseits (Hrsg.), Siegen, 1983 * Noch mal davongekommen, Zürich, 1983 * Wider die Räuber, Hannover, 1984 * Lovestories (Hrsg., zus. mit Robert Stauffer), Köln, 1986 * Im eigenen Schatten, Köln, 1986 * 2 Männer (zus. mit Robert Stauffer), Köln, 1987 * Das Ypsilon der verdrehten Achsel, München, 1992 * Richtungen, München, 1995 * Mutterkorn, München, 1996 * To-pographien, München, 1997 * Der Bilderesser, Duisburg, 1998 * Fleisch: Köder, München, 1998

Hörspiele und Features: (RIAS; DRS; DeutschlandRadio; Radio 100; Radio Bremen; Süddeutscher Rundfunk, Südwestfunk; Saarländischer Rundfunk; Westdeutscher Rundfunk; Bayerischer Rundfunk; Hessischer Rundfunk; Österreichischer Rundfunk; Deutschlandsender-Kultur; Berliner Rundfunk; Radio Aktuell; Mitteldeutscher Rundfunk; Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg; DT 64; Rock Radio B) Urbi et orbi (zus. mit Robert Stauffer), 1985 * Der Turm, 1985 * Die Liebe zu seinem Bewacher, 1985 * Die Gesinnungsbörse (Autorenproduktion, zus. mit Robert Stauffer), 1986 * Am Morgen danach (Autorenproduktion, zus. mit Robert Stauffer), 1986 * Polyglotte - eine Hörverunsicherung (Autorenproduktion, zus. mit Robert Stauffer), 1986 * Laßt mich bitte noch mal von vorn anfangen (Autorenproduktion), 1987 * Der Deuvel ist bang vor mir (Autorenproduktion, zus. mit Dagmar Töpfer), 1987 * Kathleen im Turm (Autorenproduktion), 1987 * Apokalypse (Autorenproduktion), 1987 * Tatort Wohnmaschine, 1988 * Jeanne de Jeannette du monde - Wo der Kampf beginnt (Autorenproduktion), 1988 * Revolutionscollage: André Chénier, ein besserer Dichter ohne besseres Schicksal (zus. mit Michael Peter & Robert Stauffer), 1988/89 * Eukalyptusgarten, 1988 * Die Rundfunkseelsorge, 1988 * Frohe Ostern, 1988 * Robinson muß sterben, 1989 * Brilium (zus. mit Robert Stauffer), 1989 * Der Anschlag, 1989 * 6 Lieder vom Tag (Autorenproduktion), 1989 * RadiOh! (Autoren-produktion, zus. mit Robert Stauffer), 1989 * Kein Traum kann dich betrügen (Autorenproduktion), 1990 * Seinen Baum suchen (Autorenproduktion), 1990 * Die meisten wollen ja offen (Autoren-produktion, zus. mit Robert Stauffer), 1990 * Deadline (Autorenproduktion), 1991 * Babylon. Eine Deformation (Autorenproduktion), 1991 * Kein Schrei von deinen Lippen, 1991 * Gesang vom Untergang, 1991 * Vor meinen Augen ist es kalt, 1991 * Wo ich sterbe ist meine Fremde, 1992 * Allegro Barbaro (zus. mit Robert Stauffer), 1992 * Im falschen Körper, 1992 * Jüdisch, links und schwul (zus. mit Robert Stauffer), 1992 * Und trotzdem (Autorenproduktion), 1993 * Fallen...,

1994 * The Skies Over Bagdad (Autorenproduktion), 1995 * Wies’n-Herrlichkeit oder Die Bierolympiade (Autorenproduktion, zus. mit Robert Stauffer), 1996 * ÜberGänge, 1997 * Bilder-fressen, 1997 * Vorwärts immer – rückwärts nimmer (Autorenproduktion, zus. mit Robert Stauffer), 1999 * Go West (Autorenproduktion), 1999

Literaturcassetten: Astrid Gehlhoff-Claes liest Lyrik und Prosa von Karlheinz Barwasser, Limusin, 1982 * Das bißchen Leben - Schüpbach liest Barwasser, D&G, 1983 * Polyglotte - eine Hörverunsicherung (zus. mit Robert Stauffer), Förtner & Kroemer, 1986

Herausgeber der multimedialen Literatur-CD-ROM Pcetera. Herausgeber von cet Zeitschrift für Literatur etc. (Internet: http://welcome.to/cet)

Mehrere literarische Preise und Auszeichnungen, u. a. Arbeitsstipendium für Literatur des Landes Nordrhein-Westfalen, 1986 * Literaturstipendium der Stadt München, 1992 * 2. Förderungspreis Lyrikpreis Meran, 1996 * Erostepost-Literaturpreis, Salzburg, 1996

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Tiere zuletzt
12 Gedichte aus dem Zyklus gleichen Titels

a. s. Benn, Beyer, Eliot, Ginsberg, Herburger,
Kavafis, Larkin, Raeber, Whitman

up^
»Willkommen im Club«: vorsätzlich infiziert.
»Willkommen im Club«: jeder Ort hält den
Gedanken an Zerstörung wach, den Verlust des
seiner selber nicht mehr gewissen Ich.
Und weiterinfiziert, vorsätzlich.
Und diese Kette: Tiere zuletzt.

.

Polierte Zeit, also Exkommunizierung: wo die Bedrohung nicht
greifbar ist, bleiben die Reaktionen irrational: hier steht die
komplizierte Geschichte einer Aneignung. Nicht die Natur treibt
zum Sündigen an: was der Kopf auszählt, lebt laut im Kleid, die
schwarzen Tiere. Gefesselt und trampelnder Duft, Hirnhunde.

Köln

Und trinken Sie eins mit, dabei geblinzelt, auch irgend eine
knappe Geste: in allem liegt eine seltene Rührung: angedeutete
Ferkeleien, die nichts sagen, alles meinen. Am besten schmeckts
noch morgens, irgendwie alle vereint (die da gemeint sind) und
ab mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit. Die Gewölbe lauern, von
hier im Stern auf die Märkte: aber wenn du Heimat suchst, hau ab.

Hier hat jeder jeden liegen gesehn, immer eine Hand frei zum
Fassen des Pulsschlags, alles dem Erdhaften zugewandt: diagnostisch
buntes Bild, verblüffend in der Verwirrung: verkäst die Herren, die
Sackluden schlaflos. Wer geht, wird vom anderen verraten. Alle
Syntax klappert nach dem Keim: auch im Heimatverein sind die
besten Happen schon weggeschnappt. Ja, Mannskälber für die
Mast, geschwemmte Körper: macht einen drauf, laßt einen fahren!

up^
Treibgut, währenddessen sich Schnee durch die Stellung der Freiwilligen
frißt: auch müssen noch andere Theorien verkostet werden, denn so eine
Stimmung fault schnell. Die Bäuche heben die Brust, die Körbe: in diesem
Klima kennt keine Ideologie eine Beschränkung, doch friert der Griff. Ein
Schrei, worauf an der Strandpromenade alle Radios aufgedreht werden.
Zandvoort

Entsprechend ein Gedicht zwischendurch: falsches Futter, denn auch die
Gerüchte haben Namen. Stumm in dieser oder jener Verbeugung: wo
schon ein simpler Reim ein Loch in die Decke wölbt. Kreidebleicher
Don Quijote wirft Wörter in die See. Schon ist man ein Akt oder mehrere.

Am Strand halten die Damen Abstand: Pest und Cholera in der sandigen
Fußspur, zumindest ein hartnäckiger Husten. Und die Freiheit, dieses
erfundene System mit Vorsatz niederzusaufen. Erregte Stimmen nach
dem Dinner: im Abseits laufen die standesfürchtigen Ehemänner mit.

Beim Erwachen das Denken einfangen, das nachts abhanden kam: erster
Versuch in den Dünen: zarter Allergiker, ritueller Bluterguß. Immer noch
Husten, so straft das Gewissen: wächst der dritte Arm für die Flasche.

In diesem kränkelnden Allerlei von ablaufenden Kausalketten wünscht der
Rezeptionist einen spannenden Endspurt: Gegenkräfte formen sich, virtuos
wird getobt. Kalter Steg, wund gebissen. Gedichte lügen darüber weg.

up^
Der Wutausbruch der ganzen Welt: auch die letzten Tiegel bis
auf die Ränder ausgekratzt: pure Strafverbüßung, wo jeder nur
das erwartet, was er kriegt (und winken noch der Seele Lust und
Leiche). Lernäisches Gebiet: pestberittene Schweine: schwerste
Gewichte im Lächeln der Arschnähte. Trotz Betäubung: Quillen.
Manhattan

Fleischköder: aufgeschnittenes Siechen. Nachts rattert die
Kühlung, daß die Sarkome zum Hals hinauswachsen: leer ist
der Kopf frei. Und nicht mehr als die Erklärung des großen
Kunstkenners: denn Leiche als Bild heiße Kunst als Blöße, heiße
Rettung des Körpers und Raums in einer riskanten Zeitgestalt.

Dahinter im Fenster der Mensch, der sich erbricht, kreisend die
Todesengel, Erbarmen ist Kunst (und Kunst Erbarmen?). Ganz
anteilheischend, klugscheißend: und nicht vergessen, hatte der
Wärter in diesem Korkenzieher von Museum noch gesagt: am
Abend freier Eintritt. Erst die Bildung gefressen und danach ein
paarmal mit dem Schädel gegen die Wand gerannt kann auch als
ein Teil jener Ordnung erscheinen, die hier die einzige Sichtweise
vorgibt: weit offen für eine kleine demonstrative Knechtung.

Tatort gereinigt, Aufklärung an die Wand: springen die Tiere mit
sich um die Wette, das hört nicht auf: in Imitationen von einmal
edlem Geschirr, von Leder, Gummi, mit Seemannsfratze. Applaus
der Kombinationstherapie: kalkweiße Notaufnahmen und eiskalte
Reflexionen über die Kunst des Changierens: letzter Exkurs über
Schaum und Saum. Im Schwindelgefühl der Gewißheit geht einer
vor dem anderen. Vulgarität der Seele, oben friert der Hudson.

up^
Warten, räumen: die Stationen wechseln: die Zunge leckt sich
selber: der verlängerte nasse Arm: es bleibt Bedauern, immer
bleibt Bedauern: verkniffnes Maul, Genüster. Und wieder werden
Epidemien zum Privateigentum (Märchen vom weggefressenen
Hals, fast guter Anfang): aus Gewöhnung jene Ordnung, die
die Löcher schließt. Halbzeit. Düsenlärm, Gelutsche, nur Flickwerk.
Newark Airport

Und singen die Flugsteige durchs Fenster: Rollkommando, dabei
der umgefallene Stuhl. Hemd, Hose und Gürtel im Paar, neues
Gesicht aus Brooklyn. Zwei Finger, lächerlich. Der Schirm wie
überall als Ausrede: es könnte regnen. Fremdgeburt im Dreck-
zimmer. Für die Reibung der Haut die Nylonsocken, sonst gekauter
Dollarschein. Bewegung gestört, die Knochen im Eimer: eine starke
Dröhnung der versehrten Wahrnehmung. Jongliert mit einfältigem
Rückblick: herangeholt, was noch geschehen muß. Greift über den
Bettrand nach der eigenen Hand und lacht, wenn die Boeing vom
Himmel fällt. Gepackter Koffer, klatschnaß. Schwimmhaut jetzt.

up^
Es gluckert die fröhliche Gemeinde, vom Sargmacher bis zum
Steinmetz: Musikstakkatos, Harmonie: ein profitabler Markt schickt
die letzte Tabutheorie unter den Tisch. Die Floristen binden sich
die Hände wund. Etwas Nebel in der Luft, ein Dutzend Mistkäfer zur
Garnitur: steht vor der Auflösung der Kraftakt der Beherrschung.
München

Schnöde Dankgebete an die Gesinnungshure: so käuflich wie sie
Herz ist: bei Neon, neu gespannte Gesichter: in seiner ganzen
Not zeigt sich der Aufstand der materiellen Veränderung gegen die
historischen Bedingungen: fernerhin ein Geröll von geistiger
Niederlage, nicht ein schuldiger Zuschauer, denn zwei Finger zur
Faust. Auch die Freiheit zu stürzen: wo niemand ihn zwingt,
aufzustehen, darf er liegenbleiben. Es flaniert der Besen.

Herz genug: seimiger Zungenbelag: in der Nummer werden die
Weißwürste gezuzelt, da geht das Radio mit: Oktoberfest im
Säbelregiment: nach jedem Tusch ein Elektroschock, bis auch der
letzte Körper resistent ist, zum Hodenquetscher das Prost auf
Herrn Ampère, Rettichwurzel zum Dessert: eingesegnet die
erlegte Gemse, nachgespült. Aus Tradition gehen die Lichter aus.

So frohe Botschaft: daß die Auseinandersetzung mit Schmerz die
Interpretation eigener Not und Notwendigkeit bleibt. Gelitten wird
nicht, das Ende kommt schön: unter dem Siegestor, mit kirchlichem
Beistand aus der Nähe. Ganz kollektive Unschuld, letzte Warnung.

up^
Vor allem eins: das Mißverständnis, das in den begehrenswerten
Dingen liegt: Indizienstreuung für Ausdauer, beim Barte des
Philosophen: gehört in jede Krankheitsgeschichte die poetische
Gerechtigkeit. Wo die Krankheit, weil Verbrennung, das materielle
Gesetz des Lebens bedeutet, muß alles Leben in jeder Ausformung
krank sein. Liegen dann die kranken Köpfe mit aufgerissenem
Atem, als hörten sie noch zu, zwischen Beinen: als Ausgleich etc.
Zürich

Sonst die übliche Geometrie: am Mythenquai ist selbst die
Nacht dunkler nie: müder Binnenreim auf eine knirschende
Anatomie: fremde Mundart, Hochdruck: durch Mäntel zeichnen
sich Schenkel und Waden. Anhängend Haut und Gereimtes über
die bewegte Hand und die versäumte Abstinenz. Atemreduktion.

Bündelschnürung: Verringerung des Lungenhubs: das allzeit
bereite Herz verbergen, damit nicht schon ein banger Blick zum
Anschlag auf die Gewöhnlichkeit gerät: Distickstoffoxide, immer
dezimierend. Selbst die Notwendigkeit, daß ein harmloser Vers sich
zum Knoten aus Gegenwehr knäult. Drossel, keine Feder gespuckt.

Rutscht vom Schwebebrett die Stadt in den See (nie ein Bild für
ewig): vergebens gebetet, die Sakramente empfangen: und vor
allem reicht diese Sprache nicht aus, ein Signal für die beginnende
Biographie zu setzen: autoerotischer Unfall nach euphorisiertem
Herz (Zollinhaltserklärung: Asphyxie, in Schräglage hochformatierter
Hohlmuskel, deviant, kein Wunder), Verübungsform wie gehabt.

Dabei nur Gold gegen die Pissoirkacheln geschlagen: vulgäres
Sujet: Kraultiere, verbissen im Reim: formal das innere Sinngefüge
klammernd. Und Heimgang dann. Aufgebügelte Hose. Sezierbesteck.

up^
Die Hinfälligkeit als Waffe im Kampf um Einmaligkeit: wo jedes
Bewegungsspiel, das zur Merkwürdigkeit tendieren könnte, in
Sekundenbruchteilen absolviert sein muß, präzise auf das
Zucken des einen oder anderen Muskels verkürzt: blank und
glatt, mit Distanz zur eigenen Wirklichkeit: leptosomes Geäst.
Havanna

Als müßte in dieser Trostlosigkeit sein Pilz aufgehen als ein
Rasen: drin der Flammenbaum: herb, ohne Maßstab für die
Funktionsfähigkeit des Körpersystems. Jeder sitzt mit sich, als
könnte dieser Abend der letzte sein: und wo man zu weit
blickt, stört schon ein offenstehendes Fenster. Und reißt der
Sänger auch seine Lungen auf, um Luft zu sammeln für die
Trauer, die ihn befallen hat: so ein Lied verhallt in einem
Hohlraum. Der alte Mann und das Meer locken von Colón.

Falschester Ort: Antikörper und Abwehrstoffe, auch noch so
eine blühende Ausstrahlung: die Gesundheit schlägt Wellen in
Varadero und träumt sich die Insel ohne Ränder. Nur weiße
Flanellhosen tragen und wandern am Meer. Da bleibt eine
Blutkruste. Sodann: kaltes Licht und Ventilator undsoweiter.

Auch Schleimhautläsionen. Die Bohnen zu schwarz, der Reis zu
schwer: was durch die Stadt zieht, verletzt nur: Hosen und
Kleider gleich, kein Hintern, der erzählte, worum es wirklich
geht. Darauf schreit die Zauberin: Ay vieja! Unmöglich, daß
Sie schon abreisen! Am Sonntag gehört Sissi vor den Spiegel.

Daß José Martí sich mit einem Sonett vergebe: mit schmutzigen
Worten die saubere Kultur fertiggemacht: Libreta für die fällige
Uniform: kastrierte Substanz: jedes Gefühl hat seine Versfüße.

José Martí, kubanischer Dichter, 1853-1895
up^
Invalid montiert, so kultiviert die Sonderbarkeit: und Schwein im
Trotz: der Koffer unausgepackt, seit Tagen, nicht viel weiter als
obenauf, schräg von hinten: drei schwarzgekleidete Knaben, über
Turmzinnen in den Abgrund gebeugt. Geschissen Tunis. Verstaut in
Salbe und Wickel, Bruchband, Atemschutz: also dieses Foto und
tiefer der schattige Boden: Magnesium, gepreßt: nichts gegen
Mikroben und Metastasen, wo nur die Metaphern greifen. Doch
Melange der Erleuchtung: Schmierfink, genießbar. Südwärts ran.
Mahdia

(Das Band mit Stimmen, jener, die starben, jener, die verloren
sind): so laufen die Geschichten daher. Das Licht muß schwach
sein, dann scheuerts die Kniekehlen, geladen, weniger zu Fleisches
Diensten: als blieben die Gegenstände sprachlos, nur eimerweise
Dampf: vollmedizinisch die Massage, geknetete Leiche. Wo blieb die
Katzenleber, die der Hotelkoch in die Pfanne warf? Er kleidet
sich europäisch und kennt die Preise, nach Aufschnitt und Tee.

Nichts gehört, sie sterben wie die Fliegen, Deckel drauf: auch
unauffällig die Hand in der fremden Hosentasche, noch wenn
die Luft zittert vom Schrei der Ziege, die man zwischen zwei
Lastwagen spannte. Selten Zwiegespräche, nicht im kniehohen
Alphagras, zwei Herzschläge, Blut, Exkremente: bloß eine
Gewehrsalve der Strandwache, ein Gewebeparasit. Flötenmusik.

Abends hinterrücks: sein Berber, der auf dem Friedhof nach
Knochen für den Hund gräbt: ein Zustand, ein zweiter, und
spitz das Gelächter aus der Hotelküche: haarige Brust, das erledigt
sich schnell. Gebackener Katzenmagen, paniert. Zwei Löcher in
Brust und Bauch, da liegt das Vieh, einer erbricht sich. Die Augen.

Und die Augen: Ikonen der Duldsamkeit auf dem Marktplatz vor
der Schlachtung (unter dem »Platz, wo Feuer oder Licht ist« und
der Muezzin dem greisen Tonmeister flucht): Versehen trägt die
Trauer, der Burnus unspezifische Körper- und Sinnesreaktionen.

Randfigur, geliebtes Objekt: nur der Kopf schützt nicht das
Begehren: auch die Katze beerdigt, und ewiges Leben durch
heiße Eselsmilch, kalkuliert penetriert. Vermutlich Tier zuletzt.

Minarett, zu arab. manara,
eigtl. »Platz, wo Feuer oder Licht ist«
up^
Zitternde Gerade, der Kopf paßt, weil schamlos beseelt. Abstrakte
Perspektive mit scharfer Munition, Duftmarken: sondiert, der
Wirklichkeit weggeschnitten. Rippen und Wirbel, so tragende
Worte, und Stirn gegen die Statik: jetzt das Buch aufgeklappt, die
uralten Legenden geholt: Sporn und Stange, denn Milchbart und
Scheitel: Spurgelege. Und so könnte es sich laben, weil mit der
Distanz zur Wirklichkeit (oder ohne? Jedenfalls: eigenbeschattet).
San Francisco

Aortenschnitt im gläsernen Aufzug des Fairmont, für die vielen flinken
Eintagshelfer, genauso vielversprechend: gelandet auf dem Dorf, wo die
Chroniken längst geschrieben sind, hier am Rande des Wassers, wo
noch was sein sollte: es verschwimmt der biographische Blick. Weil ein
Lederpolster, ein ungestopfter Riß: die allerwichtigsten Nichts verfolgen
sich. Allein ein krudes Paradestehen wie das Streikkomitee von Pacific
Telephone: Jackhammer (play it rough or play it sweet) und guidemäßig
India Bonita: ein Achselreißverschluß im Lufthansa-Piloten, hier dann
Ostleuchte mit hoffnungsvollem Sprachfehler (kommts darauf an: ja,
meine Knaben!): feil geknöpft mit Eingrifflasche, rissige Fontanelle mit
Haarspray behandelt. Schreit aus jedem körperlichen Defekt dieselbe
Schandtat: animalische Lieder lösen das heimliche Mantra auf den
Lippen ab. Wo sonst gäbe man sich ganz ab (Mutationen deponiert
im Straßenriß, da wackelt erneut die Bühne), wo sonst Konfetti: ertrag
dich voll, don't play it sweet. Heulender Wolf, das blankgelegte Biest.

Sehr wohl haben wir Seuchenlyrik, weil jedes Buch die Seuche ist, wo
ganz Amerika die Seucheseuche ist: Howl and Other Poems, heute
chlorfrei gebleicht für Sechsdollarsechsundvierzig, weil, Wir sind der
Bookstore und Ich bin die Tür, so sagt die Tür in dem Bookstore: und
weckt Ginsberg, der zeigt jedem im düsteren Keller die Geschichte der
Blasphemie (siebzig Bände, von Moses bis Rushdie): ganz schlau der
Mund und weiter abwärts: unter Literaten stirbt man nicht schlecht.

Davor noch Schwärmen: in die tätige, tätliche Lebendigkeit: wo der
Graben sammelt: Zielscheiben für Rufmord: auch in Sauselito setzt die
Kunst nur noch Überlebenszeichen: Lymphozyten an Perlhuhn und
anderer Getiermüll, pastellen und schnittlauchgespießt, für Medizin die
Fensterbänke: Orange im Glas, ungespritzt. Aufs Rituelle gesetzt, jenes
Spiel mit Regeln und Regelverstößen: Inklusive dem cholerischen
Zweizentnerschwein, das seinen Gin über Kehlkopfmikrofon bestellt.

Ganz spät, Haight-Ashbury, die einmal hellere Schicht: wieder die
besten Köpfe einer Generation vom Wahn zerstört, hungrig hysterisch
nackt. In vollem Wichs vor rosa Türen: Spalten offen, ignorierte Male.

 

Frei zitiert: »Er sah die besten Köpfe seiner Generation vom Wahn zerstört, hungrig hysterisch nackt«
»I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving hysterical naked«
Allen Ginsberg: »Howl«, City Lights Book, 1956 (»Ich bin die Tür«)

up^
Fristensetzung zuzeiten: wie das Buch der großen Momente: der
Auftritt als Verteidigung: metaphorisch transparenter Kern auf
den letzten Seiten, suchtauslösend im moralischen Sinne. Drum
Nullprävention: mit den zottigen Hunden, ganz pure biologische
Fakten: Quarantäne im Inselkreis: Ultrasonne, infiltrativ und
florid und verreckt vor Lust an der Natur, diese Sommersülze.
Levanzo

Die Spritzer auf dem Spiegel: so sieht sich die Insel an von
vorn (und im Rücken): mit gestängerter Pappziege, auch zwei
gemürbte Esel im Pferch: es laufen die Endorphine über in dem
Glauben an die Ursprünge. Abends dann fette Pasta, an der
sich der Glaube wieder verschleißt, Oliven, Wein und Büffelpisse.

Gar nicht schwer an der Schulter, Taschentuch trocken: so wie
die barfüßigen Sommernächte sind: ein Essigbad für zerstochne
Füße. Vielleicht der von zehn Touristen, der mit dem Arsenal an
Kortisonspritzen, jedenfalls das. Schwartenwangen, so genau
schaut hier keiner hin: glänzend, üppig doch: also Plustern
geschenkt, das Gefieder sträubt sich umsonst. Auch daß die
Felsen reden (transplantierte Zungen, weil in Palermo keiner
mehr spricht), auch das. Und sonst: Prärie, Schnepfendiele.

Nachgezeichnetes Diagramm, geschönte Leistungskurve: weil
abends die Umgrenzung fällt: mit Betäubung der Gene: dazu den
Mond angelallt. Bis zum Morgen: da überzieht die Spinne ihren
Falter mit einem frischgewobenen Leichentuch. Zeit eben, Gesetz.

Kein Käptn fährt hier vollmast ein, nur verlorene Schiffe, die
Brise, Sie wissen? Bloß sture Masturbation: endlich der Kopf ein
Kaleidoskop, der Lungenrückstand Blüte. Seien die errogenen
Zonen mit den Eidechsen. Dafür der Inselarzt: Friede, Schatten, ein
Aspirin. Vorgemerkt diese Tagebuchseite: ignorieren, weggedacht.

up^
Und Spucke: Züngeln in der Armkehle: ein tolldreister Küster und
andere Versager. Sprache dazu ist sehr beschränkend, sobald
keiner mehr atmet, wird alles Bühne, ein großer Auftritt: schnell
weg weg weggesoffen das Leben. Und selbstredend, sagt der
feine Herr (in diesem Bordell der Geschichte), waren Sie heute
mein Gast. Ob man noch rauchen mag, ein bißchen dann sterben.
Wien

Schon die Luft wirft den Schatten voraus: Satin und Loden, der
demütige Kreis: die besten Adressen vergeben, der Intendant ist
tot, und der Mundharmonikaspieler verlor seine Hände. Sonst
ätherische Bedeutungsschwere: gepuderte Bizeps, schäbig, immer
in Zwang, in Trieb, in Flucht: die vögeln offen die Pummerin und
heimlich wachsen ihnen Rosen aus der Männerbrust. Bis ins
Alter fürchten sie sich: die Brieftasche umklammert, verlangt der
gebißtragende Premierenarsch ein Unbedenklichkeitssiegel.

Fleischige Waden, aber Paillettentutu: nach Liliom durch sämtliche
Garderoben gejagt: jeder Bartstoppel beschert ihr einen verzwickten
Traum. Ungetestet: immer repetiert sich Selbsterhaltung wie eine
defekte Schallplatte: silberne Löffel klauen, später abschlafen, einen
nach dem anderen: und hier und da ein Medikament spendiert.

Ausgeschlafen, entgolten: Verklärungssucht gegen Wille, höchstens
träumt es sich: die Ränder des Praters, da fiel einem ein Fotos eines
burgenländischen Storchenpaars aus dem Bauchkorsett. Schön
korrepetiert: ein, aus, drin und drauß: von der feudalen Hochzeit und
dem verrotteten Ringelspiel: zwei Viertel Retrovier, dafür hat die
innereuropäische Todesschwadron die Stadtwolken blutig geritten.

Ich würde Sie gerne als Gegner haben, sagte einer, das schürt die
Bereitschaft: unter dem Bett lag ein Köter, deutscher Schäferhund.

up^
Intubiert: so her mit den geregelten Almosen: die Orte ein
Ort, heiterste Anarchie: Wind geschwind, gut Wetter. Nie
nach Wohnrecht getrachtet, noch Name. Leerer Block, Koller.
Xalborn

Maul halten, wenn verstrickt: von abschwellender Gestalt die
Stümper (lappe Schenkel, geschient auf Polster, sehr weiß und
mager): das sind die letzten Etablisssements, Lebensretter öffnen
die Tür. Ausflüchte, ab da vorauseilend redlich, schwach aus
dem Versäumnis. Als hätte der Abdecker nicht mitgemischt.

Das gibt sich nach zwei Vaterunser, vor allem wird geprahlt, vor
allen: ins Tischtuch, das bleibt. Geformt, der Stich: und kippen.

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