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Erwin Jaeckle
geboren 1909
Schweizer Lyriker

Gedichte aus den Bänden von
Erwin Jäckle
Die Siebensilber
Gesammelte Gedichte
Calatra Press Willem Enzink, Lahnstein

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ACHTUNDVIERZIG HAIKU NACH ISSA

Sprießt die saat üppig,
wälz unter blitz und donner
dich wohlig im bad

Ein jahr und nicht zwei
dem winter naher, wärm dir
die füße allein

Hinter der großen
wacht der lauernden stute
trinkt es sich munter

Japan in kirschblust –
so guten wegs tritt der fuß
in lauter heimat

Kleine pilgerin,
bringst du die judenkirsche
dieser weit getrost?

Brich die eßstäbchen
beim dorffest aus dürrem gras
innig genügsam

Wie manteistroh rauscht
unter dach der zedertizweig
zum spätherbstregen

Beschirmt, kleiner bub,
trägst du des abends das gras
durch den mairegen

Mut der herbstdrachen
hütet die wasserfelder
an dünner leine

Je feiner der lack
des tabletts, um so leichter
taumelt die fliege

Verlassen blühen
die kirschbäume im garten
des tempels eifrig

Ein ahornzweig kost
den wasserfall, wird das tier
unterwegs gewahr

Verlorener spatz
setz dich auf meinen ärmel,
nimm mit mir vorlieb

Der große Fuji
erwartet den schneckengang
bedächtiger müh

Sing nicht sängerin,
goldamsel im stillen schilf
des stehenden stroms

Der frühlingsknospe
wird der sommerkimono
über nacht zu eng

Schwirrt der lenzkreisel,
empfängt die pflaumenblüte
demütig das 3ahr

Der tempel blinzelt
durch die buchweizennudel
und weiß nichts davon

Seh ich die schnepfe
im unbewegten abend
wird sie mich gewahr

Der süßkleerasen
verrät mit flüchtigem schalk
die katzenspiele

Schreit nicht, wildgänse
im hochflug überm ewig
gleichen jammertal

Die chrysantheme
blüht lastloser gebärde
zwischen kampf und fleiß

Weizenrohrpfeife
geselle die dorfspatzen
und lehr sie tanzen

Im duft der Scharfen
Deutzie ballen die kinder
irdene knödel

Zum wasserwechsel
stell den reiswein behutsam
vor den brunnenschacht

Der wind im spätherbst
entfacht die ackerfeuer
im abendhimmel

meine leuchtkäfer,
flieht den tapsigen jäger
aus dunklem zimmer

Unter den gräsern
spielen die frösche munter
»hasch-mich-den-blinden«

Gib nicht nach, froschmann,
sag es der fröschin weidlich,
Issa steht dir bei

Wirds dir kalt, grille?
Bleib! Kehre zurück! Flüchte
zu mir auf den schoß

Tanz auf dem dorfplatz
trägt Ksitigarbha sein glück
unter das völklein

Ksitigarba erfüllt an der stelle von Buddha
die alltäglichen wünsche des menschen.

Singen die sterne,
steck die flöte ehrfürchtig
in den lendenschurz

Endlich, liebes haus!
Fünf fuß hoch der schnee wohn ich
unter den sternen

Unbelehrbar biegt
die schnecke um die ecke
des blütenaltans

Wechselst du das kleid,
nehmen es dir die fische
im bottich nicht krumm

Die langen ärmel
am herbstkimono lauern
der spätbrise auf

Die kirschenblüte
flattert auf die rostroten
forellenrücken

Die milchstraße gießt
ihre ganze sternenflut
in den Kiso-Berg

Unters ziegeldach
bieten dir bambusfiechter
hut und vorhang an

Das weinende kind
wünscht sich von dir den vollmond.
Schenk ihn im wasser

Des falters tagwerk
hängt sich unter die blüten
an den selben ast

Einen augenblick
und nicht länger weiß der see
um das feuerwerk

Der granatapfel
tuts ihm nach - er reißt das maul
auf wie der teufel

Horch! Eins, zwei, drei, vier
zählt die stimme die scheiter
dem frühwinter vor

Zur winterwende
kehr, das klebsreis zu stampfen,
in dein haus zurück

klebsreis = gekochter reis
für den reiskuchen

Schnell fließt das wasser
über das eis der gosse
vom gewaschnen reis

Kleines spatzenvolk
gib das reis auf dem rücken
des lastpferdes frei

Rummelndes geroll
der eicheln läßt die käuzchen
wachsam verstummen

Erwin Jaeckle, 1981

^up
^up
^up TU'S NICHT

nur wer den nagel
nichts daran zu hängen
in die wand schlägt
weiß bescheid

ohne die stunden zu zählen
schwingt sich die sonne
den ganzen tag munter
um ihren schatten

Erwin Jaeckle, 1986

VOLLMOND

bläst der wind
seine flöte
so geben die leeren
löcher
vollen ton

wandelt er sich
so beharrt er im wandel
des tons
der tonlos
singt

blickst du so
mit allen sinnen
sinnlos
in den mond
ist er voll

Erwin Jaeckle, 1986

^up
^up DER RAND

ich will versuchen
bis an den rand zu schreiben
dort kentert der ochse
und läuft die lange tinte zurück

am rande brandet
der sinn des gespanns
und stemmt sich zur antwort
in den trotz des geschirrs

Erwin Jaeckle, 1986

^up DAS GEDICHT

bilder
in den nebel
zu hauchen

lichtet das spinnetz

mit den strahlenden
perlen gezirkelter übereinkunft
das gedicht

Erwin Jaeckle, 1986

alle Folgenden aus:
Die Fülle des Verzichts
ein Gedicht
1990
GRÜNE STUNDE

ich wohn im froschaug goldgekrönt
. . . . das ohr voll bienenorgelei
so grün in grün und selbst versöhnt
. . . . mit einem wachen häherschrei

das wiegt sich durch die zeiten hin
. . . . und sinkt zum erdenschicksal ein
so daß ich bin und nicht mehr bin
. . . . um ewig hier und dort zu sein

Erwin Jaeckle, 1990

^up
^up LIEBESCHALK

wenn ich deine namen wüßte
. .. . sänge ich in vielen zungen
wer dich küßte bäume küßte
. .. . hat das lebenslied gesungen

allum bist du reg zugegen
. .. . um mit schalk zu nahn entzogen
doch ich weiß mir deinen segen
. .. . allerorten hold gewogen

Erwin Jaeckle, 1990

WANDLUNG

ich will mich
in deinen augen
nicht erkennen

geliebte

so nur sink ich dir
selbstlos ins herz

Erwin Jaeckle, 1990

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^up SECHS HAIKU

wohin floh das eis?
fragte die welle im bach
munterer neugier

*

der goldginsterschwarm
der küsteninseln gehorcht
dem wink des ufers

*

klein der famwedel
über dem bemoosten stein
verzaubertes land

*

feuchten augenblicks
an goldblütigem laichkraut
libellenflügel

*

klematisranke
fängst du so blaue sterne
für erdenschatten?

*

silberne flügel
von mais an der schindelwand
flattern dem herbst zu

Erwin Jaeckle, 1990

^up MERLIN I

uralter
süßapfelbaum mit den milden
blüten im licht der äste
den himmelswurzeln
über dem tanzenden
schwert vor der quelle
am tor
zur anderen welt

segne den blutigen
reigen
den reigen im dienst
der herrin der herrin
die ich liebte und lehrte
die mich im flammenden
busch ihrer arme
halst
und betört

Erwin Jaeckle, 1990

^up MERLIN II

Merlin du bist der frühbegabte gründer
des domes der von überblüte war
so bist du weder heilig noch ein sünder
denn tief verwurzelt bist du wandelbar

du bist der herr der sprache bist der sinne
großmächtig und gar leuchtenden begriffs
du bist des klaren handgriffs zum gewinne
des zauberhaften diamantenschliffs

du warst schon je und wirst auch ewig bleiben
allgegenwärtig und von steter art
wirst du die rune dieser stunde
schreiben und jeder zukunft unsrer gegenwart

denn überhöht schlägt dich im eignen netze
die spinne die du bist und die du liebst
dich uberwältigen die weltgesetze
die du befreit in fesseln weitergibst

Erwin Jaeckle, 1990

DAS HEILE GELÄCHTER

dies gedicht ist nicht gemacht
labyrinthisch ohne schur
denn sein wort wili keine macht
nur wer zagt besteht den schwur

wer sich irrt zagt heilen trugs
denn die wirrnis schenkt das heil
launenwurf des vogelflugs
werde ganz das ganze teil

also ist das nichts das all
das in seinen spiegel fällt
spiele dich als federball
und erspiele dich als welt

Erwin Jaeckle, 1990

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