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Gerhard Zwerenz
geboren zu Gablenz (Crimmitschau/Sachsen) 3.5.1925

Gedichte aus
Gerhard Zwerenz
Die Venusharfe
Knaur, München 1985

«Die Harfe ist ein Musikinstrument der Liebesgöttin.
Und wer darauf meisterhaft zu spielen versteht, dem gibt Venus sich hin.
Dem schlechten Schüler hingegen verweigert sie sich...»
(vom Buchumschlag)

Vita:

Die Harfe der Venus

Manchmal an gutgelungenen Abenden,
wenn das Meer nur mehr summte, als
wär's ein Sack voller Hummeln
als Himmelsboten, drückte die Venus mir
ihre Harfe in die begierigen Männerpfoten.

Spiel mir auf, du krummer Hund!
Na, ich also hurtig in die Saiten
gegriffen. Mit gespitzten Lippen,
aufgesetzt, damit sie auch was
merke, das Weib, ihr was gepfiffen.

Es war ja nicht alleine das Harfen,
wenn wir ineinander uns warfen.
Diese antiken ausgefuchsten Göttinnen,
kommandieren riesige Ländereien
ganz tief bei sich drinnen.

Daraus erklingen Posaunen und Schalmeien.
Darauf üben wir zu zweien und dreien.
Und auch zu vieren müssen wir
schmieren. Weil so eine einzelne
Götterdame, das sagt schon der Name

nicht leicht zu beglücken ist Du
spielst also ihre Harfe mit beiden Händen,
damit hat es noch nicht sein Bewenden.
Auch mit den Füßen darfst du sie grüßen.

Und von deinem Hans verlangt sie
Gloria und Glanz. Weil, nämlich,
so eine Venus ist doch nicht dämlich:
Mit so vielen Göttern hat sie's schon
getrieben. In ihre Harfe greifend
weißt endlich du, was das heißen
will: eine Göttin lieben.

^up


Die Wünsche der Venus

(1969)

Manchmal erteilt die Venus glasklare
Anweisungen:
Komm
Nein, nicht so
Dreh dich um
Ja mit dem Gesicht zu meinen Füßen
(Diese ollen Göttinnen wollen immer befehlen)
Beine spreizt
Deine Knie! Deine Knie!
Du bist die Brücke, die sich über mich spannt
Du bist eine kühne avantgardistische Konstruktion!
Du sollst dich nicht einfach hinsetzen
Du sollst dich nicht auf mein Gesicht setzen
Beug dich vornüber, stütz dich auf die Hände
Gib dir etwas Mühe mit mir
(Du kriegst nicht jeden Tag ,ne Göttin zu kosten>
Ja, du sollst dich auf meine Knie stützen
Etwas tiefer bitte
So ja
(Die Venus ist jetzt ganz zufrieden)
Und nun, ordnet die Göttin an,
harfe mal los, Mann!

^up


Nicht so wichtig nehmen

Verhalte dich stets so, als hättest du nichts
zu verlieren.
Nur wer sich nicht bestechen läßt, braucht
niemanden zu schmieren.

Nimm dein Skelett nicht so wichtig. Wenn es
heißt: Rumpf beugt.
Nur wer sich nicht überhöht, bleibt von
sich überzeugt

Sieh nur, wie der Heini Böll sich krampfhaft
am Ruder hält.
Damit ihm nur keine glitzernde Perle aus
der Nobelkrone fällt

Der Günter Grass läßt seine liebe Frau
Leserbriefe verfassen.
Signalisiert wird: Bei Freund Raddatz im Schrank
stehn noch alle Tassen.

Die Literatur ist ans bittere Ende gekommen.
Preise werden verteilt.
Wer in diesem Regen trocken bleibt, hat sich
danebenbenommen.

So spannt nur den Schirm auf gegen Raketen
und sauren Regen.
Mit Unterschriften und Protesten läßt sich
nichts mehr bewegen.

Vier Nachkriegsjahrzehnte versponnen und
wörtlich verpennt
Die Bombe pflanzt auf. Wer's blaue Feuer kennt,
der rennt und rennt

Links gegen rechts. Poete gegen Poete. Armeen
gegen Armeen.
Mit der Heilbronner Erklärung im sauren
Regen rumstehn.

Nimm dein Skelett nicht so wichtig. Wenn es heißt
Kopf ab (zum Gebet).
Nur wer sich selbst überhöht, schneidet
seinen Zopf ab (zu spät).

Ganze Kompanie stillgestanden. Nach links und
rechts weitersagen:
Außer Generalen haben auch Dichter die letzte
Schlacht nochmal geschlagen.

^up


Der Eisberg

Eifersüchtig wie meine Augäpfel
hüte ich meine Selbständigkeit

Nie mehr in Abhängigkeiten zu
leben wurde der einzige Traum,

den mir zu verwirklichen ich
jede Nähe tödlich vergelte.

Unachtsame feindliche Schiffe
havarieren unter Wasser mit mir.

Langsam treibt es mich südwärts.
Warme Wasser und Lüfte kosen

meinen eiskalten nördlichen Leib.
Freundlichkeiten lösen mich auf.

^up


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